Ein Bilanz-Interview mit Sozialministerin Stefanie Drese und Gewerkschafter Erik von Malottki


Ein Jahr beitragsfreie Kinderbetreuung von Krippe bis Hort: Wie fällt eure Bilanz aus?

Erik von Malottki: Meine Bilanz fällt sehr positiv aus. Zusätzlich zur wichtigen Entlastung für die Eltern hat die gebührenfreie KiTa über die Veränderung des Finanzierungssystems zu einer wesentlichen Verbesserung bei Tarifbindung und Tariflohn geführt. Besser werden müssen wir beim Thema Personalschlüssel. Hier hoffe ich auf die Landkreise/kreisfreien Städte und die neue Legislatur.

Stefanie Drese: Mecklenburg-Vorpommern ist als familienfreundliches Bundesland Spitzenreiter bei der Inanspruchnahme von Kita-Plätzen, bei den Kita-Öffnungszeiten und der Bereitstellung flexibler Betreuungszeiten. Die Einführung der kompletten Elternbeitragsfreiheit vor einem Jahr ist die größte familienpolitische Entlastung in der Geschichte unseres Bundeslandes. Gerade Familien mit mittleren und geringen Einkommen werden dadurch massiv entlastet. In keinem Bundesland ist die Elternbeitragsfreiheit so umfassend ausgestaltet, wie bei uns. Mit der Beitragsfreiheit setzt MV die Vision einer kostenfreien Bildung von Anfang an konsequent um. Kitas sind Bildungseinrichtungen. Der gleichberechtigte Zugang für alle Kinder in unserem Land unabhängig vom Einkommen der Eltern leistet einen bedeutenden Beitrag für mehr Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit.

Wie macht sich die Entwicklung in Zahlen bemerkbar?

Stefanie Drese: Wir haben in MV in der Kindertagesförderung auf hohem Niveau einen beachtlichen Zuwachs. So sind 2020 2.228 Kinder mehr in den Einrichtungen als im Vorjahr.

Erik von Malottki: Die Gehaltssteigerungen bei vielen Erzieher*innen sind spürbar. Viele Träger passen ihre Löhne endlich an den Tarif in den kommunalen KiTas an und schließen auf Druck der Beschäftigten verstärkt Tarifverträge ab. Aus meiner beruflichen Tätigkeit für die GEW kann ich berichten, dass allei-ne die GEW MV in den vergangenen zwei Jahren mehr als 1.500 Erzieherinnen und Erzieher über Einzeltarifverträge auf den Stand des kommunalen Tarifes gehoben haben.

Was hat es mit der Klage aus Vorpommern-Greifswald auf sich?

Erik von Malottki: Die Klage des Landkreises Vorpommern-Greifswald ist aus meiner Sicht vor allem parteipolitisch motiviert. Die Kostensteigerungen des Landkreises gehen auf den kommunalen Anteilen an den steigenden Personalkosten durch (Wieder-)Einführung von Tariflöhnen zurück. Diese wären ohne die Umstellung des Finanzierungssystems sogar noch höher ausgefallen. Ich hätte mir gewünscht, dass der Landkreis sich positiv zur Lohnverbesserung für Erzieherinnen und Erzieher verhält und durch die Klage nicht die beitragsfreie KiTa in Frage stellt.

Stefanie Drese: Die Kosten der Kindertagesförderung steigen jährlich. Das ist ein normaler Vorgang. Ich setze mich für höhere Gehälter und eine stärkere Tarifbindung für Kita-Beschäftigte so-wie weitere Investitionen in die Qualität unserer Kitas ein. Das kostet Geld. Das Land übernimmt dafür mehr als die Hälfte der Kosten, obwohl es nicht einen Kita-Beschäftigten gibt, der oder die im Landesdienst tätig ist. Aber auch die kommunale Ebene kann nicht nur eine bessere Bezahlung fordern, sondern muss dafür auch entsprechende Mittel zur Verfügung stellen. Der Landkreis Vor-pommern-Greifswald sieht das offenbar anders und ist nicht bereit mehr Geld für frühkindliche Bildung und höhere Gehälter der Kita-Beschäftigten bereit zu stellen. Mit dieser Sichtweise steht der Landkreis alleine da. Mit allen anderen Landkreisen und den beiden kreisfreien Städten Rostock und Schwerin ist vereinbart, das neue Finanzierungssystem und seine Auswirkungen im Laufe dieses Jahres zu evaluieren.